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Baroness: Yellow & Green (Review)

Artist:

Baroness

Baroness: Yellow & Green
Album:

Yellow & Green

Medium: CD
Stil:

Experimental Rock

Label: Relapse Records
Spieldauer: 40:57 (CD 1) + 35:53 (CD 2)
Erschienen: 20.07.2012
Website: [Link]

Gelb. Klar. Die Grundfarben sind damit durch. Aber im gleichen Atemzug auch noch grün? Wer hätte diese Frechheit für möglich gehalten? Gestatten: Yellow & Green, Double Feature – jetzt wird gemischt.

Die Synästhesie der BARONESS-Platten, die bislang eindeutig „rot“ oder „blau“ klangen, wird mit dem neuen Doppeldecker kategorisch betrachtet vor neue Herausforderungen gestellt: Wie soll man damit umgehen, dass es diesmal zwei Farben zu dechiffrieren gilt? Wie gliedert sich Grün als erste Mischfarbe ein? Welche Rolle spielt das Blau, Hauptdarsteller auf dem Vorgänger und diesmal am Grünen beteiligt, als einziger Fremdkörper auf der ansonsten reinen Dominanz des Gelben? Fragen über Fragen, denen BARONESS mal wieder mit einer kompletten Umwälzung von allem Bekannten antworten. Frank Zappa hat einfach mal Recht, wenn er behauptet, über Musik zu schreiben sei wie zu Architektur zu tanzen – es gilt hier schließlich zu beschreiben, welche neuen Fässer BARONESS anschlagen. Das kommt einem architektonischen Tanz durchaus nahe.

So viel jedenfalls sei in Stein gemeißelt: Für Puristen ist „Yellow & Green“ von der ersten Minute an eine hassenswerte Angelegenheit. Wehe dem, der schon auf Blau nicht zurechtkam; mit dem umjubelten Rot ist es endgültig vorbei, geschweige denn mit dem schleifenden Sludge der EPs. Hippieeske Gerüste türmen sich auf, Blumenwerk regnet auf Babyeinschlafliedgut nieder („March To The Sea“), interpretiert mit Stonergitarren und Höhlenmenschgesang. Das Schlagwerk blecht in Marschroutine und wird von Percussion begleitet, die dem Ohr grieselige Räusche verpasst. Die MASTODONs, die zuletzt „The Hunter“ genummersichert haben, staunen bestimmt nicht schlecht, was man aus Geröll so alles formen kann. Wo sind sie, die befürchteten Lückenfüller, die man bei so viel neuem Material befürchtet hatte? Es gibt sie nicht, nicht einmal als hypothetische Option. Die Atmosphäre ist ähnlich dicht wie auf CRIPPLED BLACK PHOENIX’ „(Mankind) The Crafty Ape“ – wie käme man da auch nur auf den Gedanken, ein Puzzleteil zu entfernen.

Layer über Layer legt sich frei, je öfter man sich durch die Wellen wühlt. Klingen Gelb und Grün anfangs noch wie aus einem Guss, legen sich später die fein gesponnenen Unterschiede frei, jeweils angeführt von den „Themes“. Das „Yellow Theme“ hätte in der Tat auch „(Mankind) The Crafty Ape“ eröffnen können, denn im ambience-like wabernden Sternen- und Unterwasserseegang wird man auf ein Monster von Album eingestimmt, dessen Hauptbeschäftigung es ist, selbst die kühnsten Erwartungen zu brechen. Der „Yellow“-Abschluss „Eula“ ist dann eine Gitarrenballade, die in Sachen hypnotische Gesangslinien auf dem gleichen Level spielt wie Mankind’s „Operation Mincemeat“.
Das grüne „Theme“ wiederum erzeugt zwei Stimmungen – einmal die SIGUR RÓS-Happytime, zu der man gerne friedlich wegdösen möchte, aber auch eine zweite: Schiefe Streicher nämlich, die der Seligkeit einen Strich durch die Rechnung machen. Und dann erheben sich die Gitarren zur kraftvollen Hymne; doch die unheilvollen Streicher lassen sich nicht ganz vertreiben.

Auch sonst wissen BARONESS die Nuancen zwischen gelb und grün auf den beiden Seiten ihrer Veröffentlichung hervorragend für sich zu nutzen. Sie kreuzen bevorzugt simple Stoner- und Punk-Akkorde mit einer vielseitigen Produktion und entfernen sich damit vom geschlossenen Gesamteindruck der Vorgänger, was einen Quantensprung zur Folge hat. Klassische Stileinflüsse, die BARONESS auch früher schon verarbeitet haben, finden sich in veränderten Anteilen erneut wieder: Psychedelic, Bluegrass, Folk, Hardcore. Punk ohnehin durch die Formierung aus JOHNNY WELFARE AND THE PAYCHECKS. Der Gesang, der gegenüber der Konkurrenz manchmal als Schwachpunkt ausgelegt wird, dürfte die Gemüter nun endgültig spalten, erfährt er doch durch die kräftigen, schunkelartigen Refrains besondere Betonung, zumal er in mehrstimmigen Chorälen geradezu zelebriert wird. Neben ihm bauen sich jedoch gleichberechtigt überlappende Effekte auf. „Collapse“ beispielsweise klingt, als würde im Vorgarten nebenan gerade jemand daran arbeiten, ein Raumschiff zum Starten zu bringen, während BARONESS in ihrer Garage fröhlich musizieren. Mal dominiert auch ein fuzziger, noisiger Sound, dann wieder hört man jedes Zupfen der Saiten kristallklar heraus (vgl. „Stretchmarker“ und „The Line Between“). Ein permanentes Wabern und ein immer im Wechsel begriffener Charakter umgibt die Stücke – darin liegt wohl das Geheimnis, weshalb es trotz der beachtlichen Laufzeit zu keinem Zeitpunkt langweilig wird.

Aber: Man muss sich mit viel Aufwand reinarbeiten. Erste Ausschnitte klangen wegen der hellen, blechernen Stimmung seltsam fehlgesteuert, auch der erste Komplettdurchlauf vermittelte ein vollkommen falsches Bild. Bevor man die vielen Schichten auseinander genommen hat, sind schnell mal sechs, sieben Rotationen vergangen. Die Qualität entblättert sich dann darin, dass trotz des wahnwitzigen Aufwands, der erst mit der Zeit sichtbar wird, keine Ideen verarbeitet wurden, die nicht zu Ende gedacht worden wären.

FAZIT: „Yellow And Green“ ist das mit Abstand ideenreichste, komplexeste, vielfältigste, reifste, mutigste, aber auch streitbarste Album BARONESS’ geworden. Wenn das „Red Album“ die Konsensplatte war (wobei Konsens = rockt²) und „Blue Record“ der freche Eroberer mit Widerhaken, ist „Yellow & Green“ möglicherweise ein Gift und Galle spuckender Spielverderber. Eine Herzchen-Garantie gibt es jedenfalls nicht. Die Amerikaner haben sich rapide entwickelt, da muss man als Hörer erst mal mitkommen, und vor allem: mitkommen wollen. So gilt auch: Der wahre Wert dieser Platte wird sich wohl erst in ein paar Jahren zeigen. Bis dahin gibt es 13 Punkte – mehr nur deshalb nicht, weil auch andere Gruppen wie CRIPPLED BLACK PHOENIX jüngst ähnlich beeindruckend Genregrenzen verschoben haben. Der Pionierseffekt bleibt also aus, nicht aber die plättende Wirkung dieses Doppelhammers.

Sascha Ganser (Info) (Review 14309x gelesen, veröffentlicht am )

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  • 10-12 Punkte: Wirklich gutes Album, es gibt keine großen Kritikpunkte
  • 13-14 Punkte: Einmalig gutes Album mit Zeug zum Klassiker, ragt deutlich aus der Masse
  • 15 Punkte: Absolutes Meisterwerk - so was gibt´s höchstens einmal im Jahr
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Wertung: 13 von 15 Punkten [?]
13 Punkte
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Tracklist:
  • CD 1:
  • Yellow Theme
  • Take My Bones Away
  • March To The Sea
  • Little Things
  • Twinkler
  • Cocainium
  • Back Where I Belong
  • Sea Lungs
  • Eula
  • CD 2:
  • Green Theme
  • Board Up The House
  • Mtns. (The Crown & Anchor)
  • Foolsong
  • Collapse
  • Psalms Alive
  • Stretchmarker
  • The Line Between
  • If I Forget Thee, Lowcountry

Besetzung:

Alle Reviews dieser Band:

Interviews:
  • keine Interviews
Kommentare
Andreas
gepostet am: 07.07.2012

Genregrenzen verschieben? das Album ist verflucht gut, aber einfach deshalb, weil es sehr gute Songs bietet, von denen sich verkrampfte Neuerer eine Scheibe abschneiden können. Innovativ ist diese Musik kein bisschen, und das ist sehr gut so. Fantastisch auch die Texte, und Baizley hat mich im Interview endgültig davon überzeugt, dass man die Band nicht gut finden muss, um hip zu sein (das Relapse-, Decibel- und Revolver-Syndrom), sondern weil sie schlichtweg gut ist.
Sascha G. [Musikreviews.de]
gepostet am: 08.07.2012

Was ist für dich Innovation? Innerhalb des Bandkosmos ist sie verflucht innovativ und es werden die ursprünglich gesteckten Genregrenzen durchaus verschoben. Ich rede ja hier nicht von Genre-Neuerfindungen, sondern beziehe das ausschließlich auf das interne Schaffen der Band. Wenn ich da von "Genregrenzen verschieben" spreche, meine ich also eine schlichte Neuanordnung der Bausteine; so, wie wenn man sein Wohnzimmer mit den alten Möbeln neu einrichtet. Ich hab ja nicht umsonst gesagt, dass die alten Stilanteile immer noch vorhanden sind, aber diesmal in komplett anderen Mischungsverhältnissen umgesetzt werden.
Andreas
gepostet am: 08.07.2012

Ja, Innovation ist für mich eben Neuschöpfung, also allgemeinverbindlich und nicht nur auf die Gruppe bezogen. Baroness klangen vorher meiner Meinung nach austauschbar; erst jetzt haben sie einen ureigenen Stil. Also ist Originalität und Innovation bei dir überschnitten, gut.
Sascha G. [Musikreviews.de]
gepostet am: 08.07.2012

Genau so seh ich das nämlich auch. Gib's einfach, zu, wir sind uns mal einig. :D
Andreas
gepostet am: 08.07.2012

Widersprechen wir uns überhaupt ständig? Ist Zufall, dass ich gerade immer deine Scheiben kommentiere. Du darfst gerne selbst mal meckern ;)
Andreas-2
gepostet am: 20.07.2012

Nee Leute, so einfach ist das nicht. Baroness sind zweifelsohne gute Songwriter, aber dadurch lässt sich solch ein Verlust an Cojones nicht kompensieren. Einen Großteil der Faszination von Red Album und Blue Record machte die Brachialität und Gitarrenakrobatik aus. Beides Dinge, die man auf Yellow & Green nur noch ansatzweise findet. Die ruhigeren Stücke rauschen ziemlich unspektakulär vorbei und decken vor allem auf, dass dem Gesang die nötige Ausdrucksstärke fehlt. Weniger wäre vielleicht mehr gewesen, denn kaum eine Band kann wirklich 75 Minuten mit spannender Musik füllen.

Bin ich eigentlich der einzige, der stellenweise Parallelen zu MUSE erkennt?
Xaver
gepostet am: 23.07.2012

Ich muss jetzt leider mal was sagen. Ich habs jetzt ein paar mal durchgehört, konnte es nicht fassen, habe mir gedacht, kein Problem, Alter, es liegt an Dir, das ist immerhin Baroness also warte etwas und dann hör es Dir nochmal an.

Habe ich gemacht und wisst ihr was: es liegt nicht an mir! Das Album ist absolut Schrott! Parallelen zu Muse? Nein leider nicht, sondern bestenfalls zu Nickelback (Gesangsmelodien) und Avril Lavigne (Lyrics).
Beispiel gefällig: Feel the light of day, feel it fade away. Da kombiniert sich beides aufs Schönste! Teilweise so schlimm, dass man sich wünscht, dass es doch bitte nicht darauf reimen möge, aber es kommt zielsicher genau darauf der Reim.

Auch die Riffs und Guitarrenmelodien sind ganz furchtbar banal und vorhersehbar. Das machte Baroness auf den voherigen Scheiben so genial! Absolute Überraschung! Die Alben waren Gesamtwerke, einzelne Songs anzuhören fast unmöglich.

Leider kann man also nichtmal sagen, dass es wenigstens eine gute Rockplatte ist, lediglich für Baronessverhältnisse eine Enttäuschung, sondern es ist einfach nur ein Komplettdesaster!

Ich kann es mir nur durch akuten Geldmangel erklären, dass die Band diesen Schritt in den (leider auch noch miesen) Mainstream gewagt hat.
Sascha G. [Musikreviews.de]
gepostet am: 23.07.2012

Ich bin inzwischen dagegen eher schon auf dem Sprung, die 14 zu zücken. ;)
bandmitglied
gepostet am: 31.07.2012

User-Wertung:
13 Punkte

also erstmal ist das ein saugeiles album was die sumpfmänner aus georgia dahin "geschmettert" haben, alle achtung. das ist wie einer dieser (richtigen) doppelalben aus den 70ern, wo jede platte zwischen 35 und 45 min lang war, also wunderbar zu hören. natürlich wurde der "mainstream-faktor" (man will sich ja weiterentwickeln) weiter hochgeschraubt, was mir allerdings ziemlich scheiß egal ist. wer nicht mit scheuklappen durch die gegend läuft wird eh schon beim ersten durchlauf merken, dass jeder song an und für sich eine kleine omage ist. klar gabs das alles irgendwie schon einmal aber das zusammenspiel hebt sich deutlich von vielen bands aus metal und rock (in dem fall wohl eher rock), die zurzeit voherrschend sind, ab und es ist eine bunte alternative zum bunten metalcore. in meinen augen ist dies songtechnisch ihr bisheriges meisterwerk (auch wenn mir blue record besser gefällt). sie vermischen indie, rock, metal, punk, psych, prog und folk bzw. country zu einer neuen art von SCHÖNER musik. es ist kein geballere mit getriggerten drums oder ultra schnellen gitarren-gefrickel. dieses album wird auch freunde von fleet foxes, bon iver, the dandy warhols, beach house oder ty segall beeindrucken.

für mich ein kleines meisterwerk
Jens
gepostet am: 07.08.2012

User-Wertung:
12 Punkte

Mir gefällt das Album richtig gut. Was mich aber tierisch stört ist der Einsatz von Autotune bei "Mtns. ( Crown & Anchor)" Oder verhöre ich mich da? Deswegen 12 ansonsten würd ich noch ein Pünktchen draufpacken.
Würde mich auch interessieren, ob andere das auch als die größtmögliche Sünde im Metal/Rock Bereich sehen (Autotune meine ich jetzt). Lassen wir das doch lieber den DSDSPOPSTARVOICE-Leuten ;-)
olav
gepostet am: 12.10.2013

User-Wertung:
12 Punkte

mit liegt yellow eher als green, da es mir zu ruhig erscheint. gesamt gesehen ein sperriges werk das durch viele wiederholungen erst richtig anfängt zu leben. vergleichbarer mit opeth's weg. muss nicht schlecht sein aber auch nicht jedem gefallen.
(-1 bedeutet, ich gebe keine Wertung ab)
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